Ripple hat sich in den vergangenen Wochen zu einer der aggressivsten Wetten im gesamten Blue-Chip-Kryptosektor entwickelt. Eine Gruppe großer Wall-Street-Firmen pumpte im November rund 500 Millionen US-Dollar in das Unternehmen und hob dessen Bewertung auf etwa 40 Milliarden US-Dollar. Doch die Investoren taten das nicht blind – sie sicherten sich umfangreiche, kreditähnliche Absicherungen, die dieses Funding zu einer der ungewöhnlichsten Strukturen des Jahres machen.
Warum institutionelle Schwergewichte plötzlich Ripple kaufen
Die Liste der teilnehmenden Investoren liest sich wie ein Auszug aus der modernen Wall-Street-Elite: Citadel Securities, Fortress Investment Group, Marshall Wace, Vehikel aus dem Umfeld von Brevan Howard, dazu Galaxy Digital und Pantera Capital. Diese Runde war kein klassischer Venture-Deal. Viele der beteiligten Fonds behandelten Ripple wie ein strukturiertes Kreditgeschäft – mit einem klaren Verständnis dafür, dass der Unternehmenswert fast vollständig an XRP hängt.
Laut Bloomberg kamen mehrere Investoren nach einer Due Diligence zu dem Schluss, dass mindestens 90 % des Nettovermögens von Ripple XRP-basiert sind. Auf Basis der Juli-Marktbewertung hielt Ripple damals XRP im Wert von rund 124 Milliarden US-Dollar – ein riesiges Polster, das gleichzeitig die zentrale Risikoquelle ist.
Dieses Polster wurde inzwischen sichtbar unter Stress gesetzt. XRP ist seit Mitte Juli um rund 40 % gefallen, seit Ende Oktober um weitere 15–16 %. Dennoch verfügen interne Schätzungen zufolge selbst jetzt noch große Teile der Ripple-Bilanz über einen zweistelligen Milliardenbetrag in XRP – ein Großteil davon langfristig in Escrow gebunden und strukturiert freigegeben.
Der entscheidende Deal: Wall Street steigt ein – aber nur mit garantiertem Ausstieg
Der wichtigste Aspekt der gesamten Finanzierungsrunde sind die Schutzrechte, die sich die Investoren aushandelten. Sie erhielten das Recht, ihre Anteile nach drei oder vier Jahren an Ripple zurückzuverkaufen – mit einer garantierten annualisierten Rendite von 10 %, sofern Ripple bis dahin nicht an die Börse gegangen ist.
Diese Put-Option macht aus dem Investment de facto eine verzinste Kreditposition, abgesichert durch Ripples Bilanz und die XRP-Treasury. Sie zwingt Ripple in Zukunft entweder:
- an die Börse zu gehen,
- neues Kapital zu beschaffen, oder
- die Investoren selbst auszuzahlen, was Hunderte Millionen kosten würde.
Ripple kann seinerseits ebenfalls einen Rückkauf erzwingen, allerdings nur, wenn das Unternehmen jährlich etwa 25 % Rendite für die Investoren liefert – eine extrem hohe Hürde.
Hinzu kommt eine Liquidationspräferenz, die die neuen Investoren im Fall einer Unternehmensauflösung oder eines Verkaufs vor allen Altaktionären stellt. Damit agieren die Wall-Street-Fonds in der Kapitalstruktur deutlich näher an gesicherten Gläubigern als an klassischen Equity-Investoren.
FinTech Weekly schätzt, dass Ripple im Worst Case bei Ausübung der Put-Option nach vier Jahren zwischen 700 und 730 Millionen US-Dollar auszahlen müsste – völlig unabhängig davon, wie sich das operative Geschäft oder der XRP-Preis entwickelt.
Eine schwierige Kapitalagenda: teure Übernahmen, hoher Finanzierungsbedarf
Parallel zu dieser Investorengarantie hat sich Ripple bereits große Verpflichtungen aufgeladen. Das Unternehmen zahlt rund 1,3 Milliarden US-Dollar für die Übernahme des Prime-Brokerage-Anbieters Hidden Road und etwa 1 Milliarde US-Dollar für GTreasury. Zusätzlich hat Ripple bereits mehr als 25 % seiner ausstehenden Aktien zurückgekauft. Diese Ausgaben treffen auf eine Kapitalstruktur, die nun feste Rückkaufverpflichtungen gegenüber einigen der anspruchsvollsten Player der globalen Finanzindustrie enthält.
Banken und Hedgefonds analysieren die Runde deshalb als neuen Benchmark für Kryptokreditrisiken. Die vereinbarten Ausstiegsfenster in drei und vier Jahren werden inzwischen explizit in Modelle eingebaut – zusammen mit XRP-Preisszenarien, Zinskurven und Liquiditätsanalysen. Ripple muss also nicht nur operativ liefern, sondern auch finanziell zur richtigen Zeit liquide sein.
IPO oder teure Rückzahlung – Ripple hat jetzt ein Ablaufdatum
Offiziell betont das Management weiterhin, es gebe „keinen Plan und keine Timeline“ für einen Börsengang. Doch die Struktur dieses Deals spricht eine andere Sprache. Spätestens wenn die ersten Rückkaufrechte scharfgeschaltet werden, entsteht enormer finanzieller Druck.
Ripple hat damit faktisch einen Countdown gestartet:
- Entweder gelingt ein IPO oder eine alternative Kapitalbeschaffung zu attraktiven Konditionen.
- Oder Ripple muss zu festen Renditen Kapital an Wall-Street-Fonds zurückzahlen – unabhängig vom Marktumfeld.